Letzte Woche musste der Große geimpft werden. Mal ganz abgesehen davon, dass er super tapfer ist und keinen Mucks von sich gegeben hat, gaben wir ihm vorher das Versprechen, er dürfe sich danach etwas aussuchen, was er gern haben möchte.
Nun lag in unserem Auto ein Prospekt mit Kinderschuhen und auf dem Weg zum Arzt blätterte er ganz gespannt darin. Und nach dem Arzt stand für ihn fest, er will neue Schuhe. Super, die braucht er sowieso, also los. Im Laden probierte er dann ein paar Fußballschuhe, aber die waren schnell unbequem und so suchte er ein anderes Paar. Ihr seht es im Foto des Beitrags. Er kam, sah und.. musste mit seiner Mutter diskutieren.
Jetzt ist es ja so, dass dieses Thema für uns kein Neues ist und ich schon oft gegen meine anerzogenen Überzeugungen ankämpfe und meinem Sohn vermitteln will, dass Farben nur Farben sind und für alle da. Aber trotzdem, in diesem Moment kämpften in mir wieder verschiedene Gefühle. Oh Gott, was werden die anderen sagen, was werde ich mit den Großeltern diskutieren müssen, mein Mann wird mich köpfen usw. Zuerst machte ich dieses Foto und schickte es an den Mann, mit der Bitte um Erlaubnis, diese Schuhe zu kaufen und der Hoffnung auf eine Ausrede, es auf jemand anderen zu schieben, sie nicht zu kaufen. So schnell kam natürlich keine Antwort und der Satz „das sind Mädchenschuhe“ kam mir auf keinen Fall über die Lippen, war er doch vollkommen gegen meine Überzeugung.
Und so fragte ich den großen ungelogen nach JEDEM anderen Paar Schuhe in diesem Laden, aber er blieb bei seiner Wahl. Und seien wir mal ehrlich, bei so viel Überzeugung musste dann auch ich einknicken und der Große hat seine Schuhe bekommen. Und inzwischen finde ich die Schuhe einfach wunderschön und freue mich darüber. Wir sind auf einem sehr guten Weg, geschlechtsspezifische Vorurteile hinter uns zu lassen, aber durchgestanden ist es noch nicht. Und während Mama immer wieder lernen muss, ist der Große schon viel weiter.
Wir waren vor Kurzem bei Freunden zu Besuch und der Sohn dort bestand beim Frühstück auf seine Mandelmilch, Kuhmilch will er auf keinen Fall. Er konnte auch unglaublich gut erklären, wieso. Und in diesem Moment war ich so beeindruckt von ihm. Unseren Sohn jedenfalls hatte er für den Moment überzeugt, aber diese Woche, 2 Monate später, war wieder die Kuhmilch im Müsli. Wie der Zufall es will, haben wir die Freunde heute wieder gesehen. Und wir kamen wieder auf dieses Gespräch zwischen den Kindern und dazu, wieviel doch hängen bleibt, von dem, was wir erzählen.
Und da fiel mir eine Situation in der Kita ein: der Große zieht seine rosafarbenen Schuhe an und ein anderes Kind sagt „die sind doch für Mädchen, die sind rosa“. Und während ich in meinem Kopf versuche die beschützerinstinktgesteuerten pädagogisch nicht sehr wertvollen Erwiderungen durch gute Antworten zu ersetzen antwortet der Große: „Quatsch, Rosa ist eine Farbe wie jede andere und für alle da“. Wie stolz ich in diesem Moment war muss ich natürlich nicht sagen.
Und genau diese Geschichte habe ich auch meiner Freundin erzählt und habe daraufhin erfahren, dass Lila die Lieblingsfarbe ihres Sohnes ist, er sie aber nicht mehr tragen will, weil andere sagen es sind Mädchenfarben. Und in diesem Moment habe ich genau zwei Dinge gelernt:
1. jedes Kind bekommt von seinen Eltern andere Werte mit, die ihnen wichtig sind und ist auf seinem speziellen, für ihn wichtigen und relevanten Gebiet gefestigt und toll. Und
2. mein Kind ist mir so unglaublich weit voraus in den Werten, die mir wichtig sind und wo ich noch lerne und versuche, angelernte Vorurteile zu überwinden, hat er es schon geschafft, was offensichtlich nicht selbstverständlich ist.
Wichtig ist für uns alle einfach nur, ein Schritt nach dem anderen und jeder Schritt zählt. Festhalten an den Werten, die uns wichtig sind, niemals aufgeben und auf unsere Kinder vertrauen, dass sie ebenso erkennen, was wichtig ist. Zum Abschluss noch die verspätete Antwort meines Mannes auf meine SMS, ob ich unserem Sohn die pinken, glitzernden, My Little Pony Schuhe kaufen darf:
„Natürlich, warum denn nicht?“